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Zgoll | Detail

Vom Vorstandsspielzeug zum Alltagshelfer: Die Videokonferenz

Wissen

Für das Thema Videokonferenz war der März 2020 fast so etwas wie die Stunde der (Wieder-)Geburt: Die weltweite Pandemie verbannte einen Großteil der arbeitenden Bevölkerung auf unbestimmte Zeit in die heimischen vier Wände, in denen trotzdem weitergearbeitet werden sollte. Was lange Zeit als Vorstandsspielzeug belächelt wurde, wurde plötzlich zum wichtigsten Werkzeug, um mit Mitarbeitern und Kunden in Kontakt zu bleiben: die Videokonferenz. Michael Zgoll und sein Team von der zgoll: GmbH bieten seit Jahren Produkte und Services in diesem Bereich an – und fanden sich plötzlich im Auge des Sturms wieder:

 

 

Michael, wie habt ihr die Entwicklung, die das Thema Videokonferenz in den letzten Wochen und Monaten genommen hat, empfunden?

Auf jeden Fall rasant: Alles ging wahnsinnig schnell, von einem Moment auf den anderen waren alle Unternehmen zwangsweise damit konfrontiert. Es musste reagiert werden, um einen unproduktiven Stillstand und Schockstarre zu vermeiden.

Auch die Hersteller haben reagiert und viele kostenlosen Angebote gemacht. Auf uns kam mit einem Mal ein riesiger Berg Arbeit zu: Die Bereitstellung der Software war da nur der Anfang. Viel wichtiger – und arbeitsintensiver für uns – war die Schulung und die Begleitung der Nutzer, damit diese die neuen Tools auch direkt richtig einsetzen konnten. Wir mussten hier erst Prozesse etablieren, um das zu regeln und der Situation und unseren Kunden gerecht zu werden.

 

Welche Rückmeldungen gab es bis jetzt von den Kunden, besonders denjenigen, für die das Thema Videokonferenz tatsächlich Neuland ist?

Zuerst herrschte vielerorts hektischer Aktionismus, es wurden viele verschiedene Produkte ausprobiert. Diese waren dem geballten Ansturm nur teilweise gewachsen. Nicht selten kam es vor, dass bei dem einen oder anderen Hersteller die Serverstruktur überlastet war und zeitweise vollständig zusammenbrach.

Eines unserer persönlichen Highlights war übrigens der Roll-Out von über 440 neuen Usern für ein großes Medienhaus – an einem Tag, wohlgemerkt. Dieses Unternehmen war sowieso schon sehr gut aufgestellt, was die Nutzung von Videokonferenzen und Kollaborationstools angeht. Hier wurden kurzerhand noch die Mitarbeiter ins Boot geholt, die bis dato noch nicht angebunden waren. In den ersten vier Wochen allein haben diese neuen User 32.000 Meeting-Minuten in über 2.000 Meetings erzeugt – zusätzlich, wohlgemerkt!

Generell kann man sagen, dass die Nutzer diese Art der Kommunikation voll angenommen haben. Kundenmeetings per Video sind plötzlich Normalität, machen sogar Spaß. Und es reift die Erkenntnis: Das ist gar keine Notlösung! Es ist effizient, macht mich produktiver und flexibler und hilft mir, Zeit zu sparen. Videokonferenz ist plötzlich kein Vorstandsspielzeug mehr.

Wir haben jetzt die Hoffnung, dass die Kunden sich im nächsten Schritt weiter professionalisieren, um gut vorbereitet zu sein, falls und wenn sich so eine Situation wiederholen wird.

 

Vor der Corona-Krise kam das Thema Videokonferenz häufig in den Unternehmen nicht so richtig in Fahrt. Woran könnte das gelegen haben?

Der Mensch an sich ist träge und ein Gewohnheitstier. Mit Unbekanntem hat er häufig erst einmal gewisse Berührungsängste und scheut die Veränderung. Aber es ist auch viel falsch gemacht worden in der Kommunikation. Den Menschen ist das Thema oft mit den Worten „Bitte sehr, neue Software“! präsentiert worden. Da läuteten bei vielen erst einmal die Alarmglocken im Kopf, sie hatten einfach Angst, mit der Technik allein gelassen zu werden und völlig überfordert zu sein.

Und mit diesem Fokus ging es auch völlig am eigentlichen Thema vorbei. Vielmehr geht es doch um Kommunikation und Zusammenarbeit. Hier muss die Botschaft sein: So könnt ihr dieses Werkzeug einsetzen, um noch besser und schneller miteinander zu arbeiten. Das funktioniert, und es macht sogar Spaß und ist nicht schwierig, wenn man erklärt bekommt, wie es geht.

Wer in den vergangenen Wochen einmal beobachtet hat, wie unbefangen schon Kindergartenkinder mit ihren Freunden auf einmal Videochats machen, der weiß, was ich meine...

 

Viele Anbieter, viele Produkte. Worauf sollten man achten, wenn man das Thema Videokonferenz in seinem Unternehmen etablieren möchten?

Die Herausforderung steckt gar nicht unbedingt in der Hardware, sondern darin, die verschiedenen Softwareangebote unter einen Hut zu bekommen. Egal ob jemand Zoom, Cisco Webex, Slack, Microsoft Teams oder Jitsi nutzt – es muss leicht sein, all diese Menschen zu einem gemeinsamen Treffen einzuladen, so dass diese aber immer noch ihre eigene Technik dazu nutzen können. Das Kirchturmdenken einiger Hersteller macht das manchmal nicht leicht.

Dies ist übrigens einer der Gründe, warum wir gerne mit Produkten von Cisco arbeiten: Deren Philosophie „Building bridges, not islands“ wird tatsächlich gelebt. Webex beispielsweise erlaubt einer Vielzahl an Systemen den Zutritt zu Videoräumen. Das bedeutet eine große Freiheit. Allerdings muss der Webex-Nutzer den Videoraum erstellen und die anderen einladen, was ich aber durchaus als Wettbewerbsvorteil sehe.

 

Welche unterschiedlichen Szenarien gibt es eigentlich, in denen Videokonferenz zum Einsatz kommen kann?

Im Prinzip sind für das jeweilige Anwendungszenario vor allen Dingen die Anzahl der Personen und die Art der Zusammenarbeit entscheidend.

Die kleinste Einheit, ein Meeting von 2 bis maximal 5 Personen, nennen wir einen „Huddle“: Huddles sind Treffen in kleiner Runde, für die ein Unternehmen kleinere Räume oder „Videozellen“ benötigt. Besonders, wenn ansonsten im Open Space gearbeitet wird und es keine Einzelbüros gibt.

Für Kreativmeetings bieten sich Räume für 5 bis 9 Personen an. In Kombination mit der richtigen Hardware, z. B. deinem Collaboration Board, kann hier dann direkt am Bildschirm gemeinsam an Dokumenten und Entwürfen gearbeitet werden, auch mit dazu geschalteten Mitarbeitern.

Für Meetings in größerem Kreis, zu dem dann noch externe Teilnehmer eingeladen werden, bietet sich der klassische Konferenzraum mit bis zu 20 Plätzen an. Dass die technischen Anforderungen sich verändern, je größer der Raum ist, versteht sich dabei natürlich von selbst.

Dann gibt es noch das sogenannten Town Hall Meetings – mit bis zu 100 Personen oder sogar noch mehr fast schon eine Großveranstaltung. Das könnte beispielsweise eine Betriebsversammlung oder ähnliches sein. Hier kommt es darauf auf, besonders den Hauptredner für alle Zuschauer klar und deutlich sichtbar- und hörbar darzustellen. Natürlich verfügt nicht jedes Unternehmen über Räumlichkeiten, die solche Zahlen zulassen.

Zu guter Letzt sind da natürlich noch die Büros auf Management-Ebenen. Hier macht es Sinn, dass diese neben den Videoanwendungen für Desktop auch über einen Meeting-Bereich etwas Huddle-Größe verfügen. So kann der Chef jederzeit zu wichtigen Sitzungen im kleinen Kreis laden, ohne Meeting-Kapazitäten für das restliche Team zu blockieren.

 

Welche Profi-Tipps könnt ihr Videokonferenz-Neulingen geben?

Die Technik mal außen vorgelassen, halte ich eine gewisse Nutzer-Etikette für wichtig: Das beginnt mit einer kurzen Vorstellung, wenn man einen virtuellen Videoraum betritt. Ein kurzes „Hallo, hier ist der Michael Zgoll von der zgoll Gmbh“ anstelle von „Kann man mich sehen und hören?“ macht einfach einen wesentlich besseren Eindruck.

Zweitens: Wenn man von jemand anderem zu einem Call eingeladen wurde und sich erst anmelden muss, sollte man möglichst nicht als anonymer Nutzer auftreten, sondern sich mit Vor- und Nachnamen eintragen. Diese Informationen sind für die anderen sichtbar und helfen – besonders, wenn man selber vielleicht die Kamera nicht angestellt hat –, dass alle Beteiligte die Redebeiträge besser zuordnen können.

Und drittens die vielleicht wichtigste Regel: Wer nichts zu sagen hat und nur zuhört, schaltet sein Mikrofon stumm! So vermeidet man die unfreiwillige Übertragung von Störgeräuschen aus dem Hintergrund.

 

Das Thema Videokonferenz ist endgültig im Arbeitsalltag angekommen. Was kommt hier als nächstes auf uns zu? Was wollen und brauchen die Kunden, was haben die Hersteller in der Entwicklung?

Aus meiner Sicht muss die Interoperabilität der einzelnen Systeme weiter verbessert werden. Die Feature-Schlacht läuft unter den Herstellern schon längst. Ob mehr hier wirklich immer mehr ist, weiß ich allerdings nicht.

Die Nutzer werden die Möglichkeiten der Kommunikation, der gemeinsamen Zusammenarbeit und des Austauschs von Dateien in Teamchats und über Collaboration Tools weiter für sich entdecken, ausbauen und Teil ihres Arbeitsalltags werden lassen.

In den Unternehmen wird die Experimentierphase mit unterschiedlichen Videoplattformen zu einem Ende kommen. Eine einheitliche Kommunikationsplattform erleichtert nicht nur den Nutzern die Arbeit, sondern kann bei richtiger Planung auch zeitgleich eine einheitliche Bedienung in allen Besprechungsräumen mit sich bringen

Insgesamt wird also eine weitere Professionalisierung im Bereich Videokonferenz stattfinden: Kein Besprechungsraum mehr ohne Videotechnik – daran arbeiten wir tatsächlich im Moment bereits. Besonders in größeren Räumen muss technisch ein qualitativ hochwertiges Übertragungserlebnis garantiert sein, sowohl visuell als auch akustisch.

Und, nicht zu guter Letzt: Die Raumgrundrisse werden sich verändern. Open-Space-Konzept werden, zwangsläufig, um kleine „Kommunikationszellen“ ergänzt werden, in denen die Mitarbeiter ungestört in Huddles oder Kreativmeetings zusammenarbeiten können. Das Thema Videokonferenz wandert also von den Home Offices (zumindest zum Teil zurück) in die Büros, um hier weiter zu wachsen und unseren Arbeitsalltag nachhaltig zu formen. Und dort, wo sich das Home Office als echte alternative und Ergänzung zum Arbeitsleben im Büro vor Ort gezeigt hat, wird es umso wichtiger, mit den Kollegen in der Firma verbunden zu bleiben.

 

April 2020